Seit Jahren begleitet mich Wonder Woman symbolisch – in Form von Halsketten, Ringen, T-Shirts, Gürtelschnalle, Rucksack… – in meinem Alltag. Zu meinem Abschluss als Psychotherapeutin bekam ich zusätzlich zum offiziellen Abschlusszertifikat auch eines als „Wonder Woman der Systemik“, weil mich dieses „Alter Ego“ auch durch die Ausbildung begleitet hatte. In meinen Selbsterfahrungsstunden erkannte ich, welche Bedeutung Wonder Woman für mich hat. Als ich mich außerdem im Zuge meiner Selbsterfahrung und Weiterentwicklung mit MSC – Mindful Selfcompassion – beschäftigte, wurde mir klar, dass Wonder Woman für mich auch ein Symbol für „Fierce Selfcompassion“ ist – also für jenes kraftvolle Selbstmitgefühl, das uns hilft, klar zu uns selbst zu stehen, uns abzugrenzen, für uns zu sorgen, gegebenenfalls auch mit Nachdruck. Wonder Woman steht für mich für meine Klarheit und Kraft, für mich als starke Frau.
Ich habe mich mit Superhero – Therapy beschäftigt, mit der Geschichte von Wonder Woman und dachte irgendwie schon immer, dass die Metapher der Superheld:innen hilfreich sein kann. Auf den Begriff „Batman Effekt“ stieß ich allerdings erst vor kurzem. Er beschreibt noch einen ganz anderen, weiteren Aspekt, nämlich den Effekt, den ein Alter Ego haben kann.
Der „Batman Effekt“ geht auf eine Studie US-amerikanischer Wissenschaftler der University of Michigan zurück, die mit 4-6-jährigen Kindern durchgeführt wurde, ähnlich dem berühmten Marshmallow-Experiment. Untersucht wurde darin die Selbstregulationsfähigkeit der Kinder bezüglich ihres Durchhaltevermögens, an einer öden Tätigkeit dranzubleiben und dabei wurde die Hypothese geprüft, dass Selbst-Distanzierung dabei hilfreich ist.
Die Aufgabe der Studie bestand darin, dass die Kinder eine langweilige Übung am Computer absolvieren mussten, während sie immer wieder darauf hingewiesen wurden, dass die Aufgabe langweilig ist. Dazu gab es den Hinweis, dass sie jederzeit und so oft sie wollten Pausen einlegen und dabei ein unterhaltsames Spiel auf Tablets spielen durften. Es wurden drei Gruppen gebildet: Gruppe 1 sollte sich fragen „Arbeite ich hart?“, Gruppe 2 sollte sich dieselbe Frage distanzierter in der 3.Person stellen („Arbeitet xy hart?“) und Kinder der Gruppe 3 sollten sich vorstellen, sie wären hart arbeitende fiktionale Charaktere wie Batman und sich fragen „Arbeitet Batman hart?“. In der Studie zeigte sich, dass die erste Gruppe, die sich am wenigsten distanzierte und sich selbst in der ersten Person ansprach, also aus der Ich-Perspektive heraus reflektierte, die geringste Motivation und das geringste Durchhaltevermögen zeigte. Die zweite Gruppe, distanzierter von sich selbst durch die dritte Person, schnitt besser ab, während die dritte Gruppe, die sich vorstellte, als ein:e Held:in zu handeln, am besten abschnitt. (vgl. Coulson, Justin: The Batman Effect. 23.3.2021. https://happyfamilies.com.au/articles/the-batman-effect; letzter Zugriff: 1.9.2024)
Was fand man damit heraus bzw. welche Schlussfolgerungen wurden im weiteren Verlauf gezogen?
Durch die Herstellung von Distanz zu sich selbst wurde das Durchhaltevermögen der Kinder gesteigert. (vgl. Redaktion Katapult: Der Batman-Effekt. 17.4.2018. https://katapult-magazin.de/de/artikel/der-batman-effekt; letzter Zugriff: 1.9.2024)
Die Distanzierung durch die Vorstellung eines Alter Egos kann sowohl Kindern als auch Erwachsenen helfen, Ängste oder besondere Herausforderungen zu bewältigen, so die Annahme. Durch die Selbst-Distanzierung, die ein Alter Ego im Übrigen ebenso schaffen kann, wie z.B. Humor, der wie in meinem Artikel (s.Publikationen) beschrieben, auch hilfreich sein kann, ist man emotional nicht mehr so stark involviert oder identifiziert und bekommt mehr Handlungsspielraum.
Ein Artikel auf bbc.com berichtet davon, dass auch Beyoncé und Adele bereits über ihre Erfahrungen mit ihren Alter Egos erzählt haben. In einem Oprah Winfrey – Interview soll Beyoncé darüber gesprochen haben. „Beyoncé’s was the assertive and empowered ‘Sasha Fierce’, who allowed her to perform with extra self-confidence and sensuality.“ [1]
Auch Adele erzählte – wie in dem Artikel erwähnt wird – gegenüber dem Rolling Stone magazine kurz darauf, sie könne durch ihr Alter Ego bei ihren Auftritten ihr Bestes geben.
Man kann in dieser Form der Selbst-Distanzierung eine Art Perspektivenwechsel sehen, der auch in der Systemischen Therapie gerne verwendet wird. So kann man Superheld:innen für vieles heranziehen – als Metaphern, Bilder für innere Anteile, als narrative Elemente oder als Alter Ego für Perspektivwechsel. Und – so wie ich meine Wonder Woman – Logos …. – als Kraftsymbole.
[1] Robson, David: The ‚Batman-Effect‘. How having an alter ego empowers you. 18.8.2020. https://www.bbc.com/worklife/article/20200817-the-batman-effect-how-having-an-alter-ego-empowers-you; letzter Zugriff: 1.9.2024